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Sonntag, 16. August 2015

Wachträume


Ich lag im Bett.
Heiss.
Stille.
Die Augen halbgeschlossen.
Sonntägliche Ruhe im Krankenhaus.
Ich träumte so vor mich hin.

Ich sah in meinem Kopf eine wunderschöne, bunte, farbenprächtige Welt.
Bäume, Tiere, den Himmel
Ein Bach floss munter dahin.
Alles auf den ersten Blick ganz friedlich.

Auf dem Bach eine Unmenge kleiner Papierboote.
In jedem sass ein kleines, junges  Menschenkind.
Auch ich sah mich in einem dieser Boote sitzen.

Alle schaukelten übermütig und hatten Spass.
Ab und zu ging eines dieser Boote unter.
Das darin befindliche Menschenkind ging unter.
Man sah es, aber das war es auch.
Es interessierte niemanden.

Der kleine Bach mündete bald in einem grossen Fluss.
Dieser war nun voll mit einer Unmenge von Schiffchen.
Manchmal berührten sich welche.
Blieben eine Zeitlang nebeneinander.
Viele trennten sich aber auch.
Im Grunde genommen fuhr jedes Schiffchen von Anfang bis zu Ende für sich allein.

Viele Boote gingen einfach unter.
Man sah es, aber es berührte kaum jemanden.
Jeder war mit sich selbst beschäftigt.
Jeder wollte sein Schiffchen besonders gut in Schuss haben.
Da waren die anderen gleichgültig.

Alle, auch ich, waren bemüht das Schiffchen auf Kurs zu halten.
Man war immerfort darauf ausgerichtet das alles klappte. 
Man sah kaum die anderen.
Ab und zu grüsste man, aber das war nur so nebenbei.
Man sah nicht das Ufer mit all seinen Schönheiten.
Die Fauna und Flora.
Was vorüberzog, war auch sofort wieder vergessen.
Man war nur mit sich selbst beschäftigt.

Auch manches Schiffchen was im Wege war, wurde einfach weg geschubst. 
Jeder wollte seine Fahrt fortsetzen.
Alle.
Auch ich.

Doch, dieser grosse Strom hatte nur ein Ziel.
Das Meer.
Die Unendlichkeit.
Das Nirwana.
Das Ende.

Dort wurde alles verschluckt und es blieb nichts übrig.
Alles was dort verschluckt wurde, war auch sofort schon vergessen.
Und das geschah pausenlos in endloser Folge.

Eines Tages richtete ich mich in meinem Boot etwas auf.
Ich merkte, das ich nicht mehr das unbeschwerte kleine Kind war.
Was war mit mir geschehen?
Irgend etwas bewog mich einmal nach zu denken, über den Bootsrand zu schauen. 

Da sah ich ihn.
Diesen Moloch der alles in sich  aufnahm. 

Da begriff ich,  ich habe das Ende meiner Reise bald erreicht.
Wie alle anderen auch.
Immerhin war meine Fahrt länger als die vieler anderer geworden.

Nur, war es Glück, Können oder Fügung das ich so weit gekommen war?

Ich begriff nun, leider zu spät, das diese Fahrt das ganze Leben an sich war.
Es war an jedem vorüber gezogen.
Mit all seinen Schönheiten.
Meines und auch das aller anderer.
Danach kam nichts mehr.
Vorbei.
Nicht mehr zu wiederholen. 

Dachte so:
Hätte ich nicht in meinem Boot gekämpft, sondern mich auf den Rücken gelegt, in den Himmel geschaut und geträumt, wäre ich zwar auch hier und jetzt angelangt, aber bestimmt glücklicher und zufriedener.
Denn ich hätte die Schönheit dieser Welt genossen.
Ich wäre dafür glücklicher gewesen.

Der Strom brachte alle Boote an das Ende der Reise.
Auch meines.
Es gab kein Entrinnen und auch keinen Deal.
Am Ende waren wir alle gleich.
Dem Untergang geweiht.

Ich schlug die Augen auf.
Sah mich hier im Krankenbett liegen.

Ich begriff, ich war zwar noch immer in einem Boot. 
Nur, wie lange noch?



   

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