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Sonntag, 13. Mai 2018

Freizeit


Geburtstag war gestern, heute wieder zurück in die Vergangenheit. 

Und was war damals in der Freizeit?
Ich meine bei den Erwachsenen.
Kinder haben immer etwas zu tun und zu erledigen. Wenigstens in meiner Jugend.
Auch ohne techn. Mist und Animation.
Zu der Zeit sprach man noch miteinander.

Schule war 6 Tage in der Woche.
In der Klasse waren wir 54 Schüler.
Ohne Mami Taxi.
Immer von 8 Uhr bis 14 Uhr. 
Nach Hause rennen, essen, Schularbeiten machen und dann aber raus, auf die Strasse.
Termin fürs nach Hause kommen war: 
„Wenn die Strassenlaternen angingen“

Berliner Strassen sind alle sehr breit angelegt. 
Die meisten haben Bäume. Viele einen Mittelstreifen. 
Das stammt noch aus der Kaiserzeit so. 
Heute weiss ich es nicht mehr. Das Stadtbild hat sich nach dem Wiederaufbau  stark verändert.

Viele Berliner hatten damals einen Schrebergarten.
Man nannte sie „Laubenpieper“
Es ging der Spruch rum. 
„Wer Gott vertraut und Bretter klaut, der hat ne billige Laube“
Diese Lauben, oder Holzhütten, standen auf Parzellen. 
Diese waren bei uns z.B. in der Nähe des Strassenbahnhofes in Reinickendorf-Wedding.
Eine grosse freie Fläche war dort verpachtet. Jeder baute sich seine Laube und pflanzte sich sein Gemüse selber an.   
Immerhin war diese eine Laubenkolonie mehrere Kilometer lang und auch breit. Tausende von Menschen waren und lebten dort. Viele die nicht ihre Miete zahlen konnten oder keine Wohnung fanden, lebten dort auf immer. 
Auch viele Juden hatten dort ihr Domizil in der irrigen Hoffnung dort unentdeckt zu bleiben. 
Toilette war ein Holzhäuschen wo in der Tür ein Herzchen ausgesägt war. 
Was dann da unter dem Brett mit dem Loch war, bildete den Dünger.
Wasser gab es aus einer Handpumpe.
Ein Ofen und Herd war das ganze Glück.
Da man nicht an Bakterien und son Mist dachte und auch nicht kannte, wurde auch niemand krank.
Natürlich fand sich im Sommer, vor allem am Wochenende, auch die ganze bucklige Verwandtschaft ein um zu ernten. 

Die Grenzen der Grundstücke waren immer Johannisbeer- und Stachelbeersträucher. 
Man musste nur zugreifen.
Spritzmittel und so neumodisches Zeug gab es auch noch nicht.
Tomaten und Kürbisse wuchsen besonders gut, wenn die Jauchegrube als Dünger diente.
Bio eben in Vollendung.

Wenn Arbeit an lag, fand die Verwandtschaft den Weg nicht.
Es war für uns Kinder immer ein Paradies, ein riesengrosser Abenteuerspielplatz. 
Dort wurden dann Hütten gebaut.
Indianer gespielt.
Autos gab es ja keine.
Siedlerfeste und Erntedank waren Höhepunkte.
Es gab Fliegerbier für die Kinder (so eine Art Limonade. Nicht süss und sah wie echtes Bier aus.) 
Die Erwachsenen tranken richtiges Bier und die Frauen Bowle.
Dazu, Grillen war unbekannt, eine deftige Wurst und eine Schrippe auf die Hand.
Kaffee und selbst gebackener Kuchen.
Das Leben war einfach nur schön.
Arm und trotzdem glücklich?
Geht das überhaupt?
OH JA!

Dann kam der Krieg und vor allem die Nachkriegszeit.
Es wurde gestohlen und eingebrochen.
Man richtete Wachmannschaften ein. 
Immer reihum. Jeder kam mal dran.
Letztendlich war Hunger an der Tagesordnung und da standen ja nun die Gartenfrüchte zum mit nehmen frei rum. 

Wie so vieles, auch diese Idylle zerbrach nach dem Krieg.

Man ging auch nicht immer am Wochenende zu den Laubenpiepern.
So wie die Bayern ihre Biergärten haben, gab es in Berlin eine Unmenge von Ausflugslokalen.
Sie waren alle per Fuss zu erreichen.
Grosse Gärten mit hohen schattigen Bäumen.
Tische mit Stühle darinnen.
Immer so für 200 und auch mehr Personen.
Dort konnte man Kaffee und Kuchen kaufen und verzehren.
Dafür war aber meist kein Geld vorhanden.
Die damaligen Gastwirte waren aber clever.
An den Gärten hingen draussen grosse Schilder auf:
Der alte Brauch wird nicht gebrochen, hier können Familien Kaffee kochen“
?????????
Es stand immer in jedem  Garten ein grosser Kessel mit kochendem Wasser bereit. 
Die Familien brachten ihren Kaffee und eigenen Kuchen mit.
Das Geschirr wurde gemietet. Dafür bezahlte man 50 Pfennige. (oder etwas mehr) Das heisse Wasser wurde auf den Kaffee geschüttet, der Kuchen ausgepackt.
Wer Bier trinken wollte, holte sich eine Flasche an der Theke.
DAS war aber äusserst selten. 
Beide Seiten machten so ihr Geschäft.
Am Nachmittag kam Onkel Pelle, ein Clown und das Kasperltheater öffnete seinen  Vorhang. 
Die Kinder waren versorgt.
Die Erwachsenen hatten ihre Ruhe, Erholung und waren satt.
Ein Sonntagnachmittag im bürgerlichen Berlin.

Ihr werdet lachen.
Es war richtig schön.

Ach ja, ich kann mich auch nie an besoffene Menschen oder Streitereien in diesen Lokalen erinnern.
Ob die Menschen in meiner Jugend besser waren?
Besser vielleicht nicht, aber gaaaaanz anders.


Na, aber auf jeden Fall anspruchsloser, genügsamer und zufriedener.
Trotz aller Armut. 

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