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Montag, 10. Oktober 2016

Der Eschweiler Bergwerks Verein und ICH. (18)


Mir fiel ein/auf, das ich hier viel über Untertage Grubensteiger schreibe.
Dazu muss ich sagen, das es allesamt alte Steiger aus der Vorkriegs- und Kriegszeit  waren.
Also noch eine Generation vor der meinigen.
Diese hatten noch eine ganz andere Einstellung  und Auffassung von Vorgesetzten und Mitarbeitern.
Die Bergschule in Aachen war in dieser Zeit noch nicht in Betrieb und die ersten Absolventen von dort kamen erst Jahre später zum Einsatz.
Vielleicht erklärt das auch manches.

Man war also umgezogen.
Das heisst, Arbeitsklamotten angezogen.
Die Treppe rauf.
Oben, unter einer grossen runden Uhr, standen dann:
Der Obersteiger in aller Pracht.
Die Fahrsteiger nicht minder imposant.
Daneben die Reviersteiger.
Alle in schneeweiss gewaschenen und gebügelten Arbeitsanzügen.
Einen Lederhelm auf dem Kopf.
Dieser war mit Schuhkreme gewichst und glänzte.
Blitzblank geputzte Lederschuhe.
Den obligatorischen blauen Schal um den Hals, damit ja kein Staubkörnchen je ihren zarten Körper berühren würde.
Vor allem aber alle gestützt auf das äussere Anzeichen ihrer Würde.
Kein Zepter, aber einen Bergpickel.
Das war nun ein Spazierstock, der als Griff einen hackenmässigen Aufsatz aus poliertem Stahl hatte.
Mit der hat man, in grauen Vorzeiten, das Hangende abgeklopft um loses Gestein zu erkennen.
Heute aber war es nur noch das Zeichen ihrer Würde.
Nicht zu vergessen, weiche Nappalederhandschuhe, damit ihre zarte Haut beim Tragen des Spazierstockes keinen Schaden leiden würde
Sie hatten es geschafft.
Sie wussten es.
Sie zeigten es.
Sie erwarteten nun das Defilee ihres Volkes.

In späteren Jahren hing dort über ihnen an der Decke eine grosse Schautafel auf der die täglich geförderte 
Kohlenmenge , Schichtenzahl usw. dokumentiert wurde.
Zum Ansporn.
Denn daraus errechneten sich die Punkte für die IK-Waren.
Es wurde oft vor dem anfahren darauf hingewiesen.

Nun mussten alle diejenigen, die arbeiten wollten oder mussten, an dieser Gruppe von Angestellten vorbei.
Teils um Anweisungen zu erhalten, teils aber auch um selbst Fragen zu stellen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf meinen Blogartikel hier vom
17. März 2015 verweisen.
Dort habe ich im einzelnen geschildert WIE dieses dort ablief.
Im übrigen, sehr amüsant.

Das Volk nun sah ganz anders aus.
Kaputte Hosen, ungewaschen.
Denn man nahm seine "Kullklamotten" nur einmal am Wochenende mit nach Hause zum, waschen. 
Ein Schreckenstag für die Ehefrau.
Waschmaschine ? Fehlanzeige.
Ein grosser Kessel auf dem Ofen war alles. 
Danach alles in eine Wanne und bearbeitet.
Viel später  kamen dann Holzwaschbottiche auf den Markt.
Dort wurde dann ein Schwengel für 30 Minuten bewegt um die Wäsche zu reinigen. 
Aber dafür musste erst einmal das Geld für da sein.
War auch eine Schindsluderarbeit für den Ehemann.

Also "Püngel" unter dem Arm und nach Hause.
Dazu noch der "Knütsch" oder auch " Mutterholz" genannt.

Es waren sowieso alte, abgetragene Kleidungsstücke die man in der ganzen Familie zusammen gebettelt hatte.
Zwangsläufig nicht für den rauhen Einsatz untertage gedacht, überall zerrissen.
Diese Stellen wurden mit Schiessdraht geflickt.
Sah toll aus. Roter Draht zusammengezwirbelt um die Löcher oder Risse zusammen zu halten.
Im übrigen, Schiessdraht war ein 
Universalgebrauchsgegenstand.
Auch zu Hause.

Schuhe?
Na ja, ich z.B. hatte ein paar Holzschuhe mit Kunstleder im Oberteil bekommen.

Zum 4.Osten auf der 360 m/S, wo ich beim Vortrieb eingesetzt war, waren z.T. nach dem Senken der Schienen die Zwischenräume mit Kohle aufgefüllt worden.
Da bot sich an, auch schon mal die Schuhe zu schonen und sie unterwegs auszuziehen.
Vorstellbar?
Untertage ohne Schuhe?
Arbeitshandschuhe  oder  vielleicht sogar Knieschützer kamen erst viel, viel später in Mode.
Es war eben kurz nach dem Krieg und manches mutet heute unwirklich an.
Aber es musste gehen und es ging auch.

Die "Herren" hatten ihren "Blitzer" um.
Wir anderen gingen an den dahinter liegenden Schalter der "Lampenstube", gaben die Kontrollmarke ab und bekamen unser Geleucht.
Es war ein Trumm von Lampe mit einem Haken.
Nach 8 Stunden schleppen, sauschwer.
Wenn man  nach Ende der Schicht seine Lampe wieder abgab, bekam man seine Kontrollmarke wieder.
Somit war immer klar.
Lampe weg und Marke am Haken, DER ist noch untertage.
Eine bessere Kontrolle und  Übersicht, in Verbindung mit der Markenkontrollstation am Eingang, konnte es nicht geben.

Neben der Lampenstube war das "Steigerbad"
Geheiligte Räume.
Daneben werkelte noch  ein Schuhmacher in einer kleinen Werkstatt und versuchte sein bestes.
Z.B. Bandgummi als Schuhsohlen um zu funktionieren, oder auch aus drei paar alten Schuhen ein tragbares Paar zu machen.
Auch er war ein Handwerker.
Mit Sicherheit ein besserer als alles das was heute sich so schimpft.
Denn aus nichts etwas zu machen, das ist wahre Kunst.
ER war damals wichtiger als so mancher "Macher" untertage.
Auch diese Leute hat man leider vergessen.

Überhaupt.
Der ganze Laden lief nur, weil es unzählige fleissige, ideenreiche Menschen gab, deren Ziel es war, alles am laufen zu erhalten.
Auch schon mal ohne Bezahlung.

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