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Samstag, 15. Oktober 2016

Der Eschweiler Bergwerks Verein und ICH. (23)


Um all das überhaupt auf die Reihe zu bringen, machte man grosse Anstrengungen.

Das wichtigste im Nachkriegsdeutschland war, die Industrie am laufen zu bringen.
Die Kohle war der Antriebsmotor der Wirtschaft.
Man brauchte aber  nicht nur Rohstoffe, sondern auch Arbeitskräfte.
Daran mangelte es.
Nicht an der Anzahl, sondern an deren Fähigkeit zu arbeiten.
Die meisten waren ja  Kriegsheimkehrer, aus Gefangenschaft der Alliierten Siegermächte, entlassen.
Also nicht gerade im besonders guten Gesundheitszustand.
Auch viele, wie ich, die aus der Russischen Obhut entlassen waren.
Ich wog, bei 180 cm Grösse, damals 98 Pfund.
Heute bringe ich locker 104 kg als Kampfgewicht auf die Waage.

Eigentlich drehte sich damals alles nur ums ESSEN.


Um nun überhaupt Menschen zu finden, die körperlich in der Lage waren diese  schwere Arbeit untertage zu vollbringen, versuchten die Siegermächte  dieses Manko auszugleichen, indem sie den Bergmännern, öfter aus Armeebeständen, Lebensmittel zukommen zu lassen.

Was, war immer sehr unterschiedlich.
Das unmöglichste wurde angeliefert.
Speck in Dosen, Schinken in Dosen, Tomaten in Dosen, Büchsenmilch, Fertiggerichte, aber auch Gewürze und Kram der bei den Marketendern anfiel.
Der Begriff dafür war : IK-Waren
Diese mussten nun verteilt werden.
Man ersann eine komplizierte Punktetabelle.
Diese vergab nun für jedes Produkt einen Punktewert.
Z.B. Schmalz bekam einen hohe Punktezahl, andere Dinge eben eine niedrige.
Der Bergmann erhielt nun auch Punkte.
Da wurde es schon schwieriger.
Man vergab nun die Anzahl der Berechtigungspunkte an Hand des Lohnes.
Hier begann die Ungerechtigkeit zum ersten male.
Wer gut verdiente, bekam die meisten Punkte.
Nur, wer einen hohen Lohn hatte, war beileibe nicht der fleissigste.
Jeder Schlepper, Lehrhauer und jeder Fremde, hatte naturgemäss den niedrigsten Lohn und damit also auch die wenigsten Punkte.

Der zweite Punkt war noch viel schlimmer.

WAS bekam man denn nun für sein Punkteguthaben?
Nehmen wir mal ein theoretisches Beispiel.
1 Büchse Speck = 10 Punkte.
2 Muskatnüsse = 1 Punkt.
Also, 20 Muskatnüsse sind auch 10 Punkte.
Nur, was sollte man mit denen machen?
Ich bin nur ein oder zwei mal in den Genuss wertvoller Ware gekommen.
Man fand sich damit ab. (musste man eben)
Dafür konnte ich aber die ganze Familie mit Gewürze, Nudeln in Tomatensauce und dergleichen versorgen.

All das, lag in den bewährten Händen vom

"Punkte Jupp" (Schommer?)
Natürlich hatte auch der Betriebsrat ein sehr wachsames Auge da drauf.
Ich glaube der Punkte Jupp war sogar einer von ihnen.
Somit blieb alles in der Familie.
Noch Fragen?????????

Ganz anders, und eine wirklich segensreiche Aktion, war die Verausgabe der

 "Care Pakete"
Die waren toll.
Vom Inhalt her, von der Menge, und der Gerechtigkeit der Verteilung.
Es gab zwar hier auch 2 oder 3 Sorten, aber der Inhalt war in etwa gleich hochwertig.
Gebunden waren diese Pakete lediglich an einem geordneten Schichtenbild.

"Care"

Das war eine private Initiative der Amerikanischen "Quäker."
Einer kirchlichen Institution (?)
Der Morgenthau  Plan sah das überhaupt nicht vor.
Churchill, Stalin und Roosevelt hatten die Vernichtung des Deutschen Volkes als Zielsetzung.
Die Quäker erkannten, das man nicht einfach ein ganzes Volk nur aus Hass vernichten kann.
Es waren zu 100% private Gelder und Organisationen die das organisierten.
Es waren die einzigen "Menschen" in dieser Zeit.

Ich muss gestehen, nicht nur ich, sondern auch die anderen, heizten damit aber auch den "schwarzen Markt" an.

Denn die Bedürfnisse basierten ja nicht nur auf Essen.
Es war zwar traurig, aber es gehörte eben auch zum überleben.

So manches von diesen Lebensmitteln habe ich gegen Säuglingskleidung eingetauscht.

Denn auch so etwas  gab es nicht.
Dazu kam ja, das die Fremden nicht auf einen Fundus aus früheren Jahren zurück greifen konnten.

Wir haben es alle überlebt und geschafft.


Und wenn der Hunger mal allzu gross wurde, ging man eben, in Neuweiler, des Nachts nach Schichtende, neben dem  Wetterschacht Kartoffeln klauen.

Auch wenn man die Umrisse des Bauern mit dem Knüppel sich gegen den Himmel abzeichnen sah.
Eine Handvoll Kartoffeln war die Nahrung für einen weiteren Tag.

Vielleicht haben meine Erlebnisse nach dem Krieg, beim Russen, auf meiner Wanderschaft und auch die hier im Bergbau dazu beigetragen, das ich nichts wegwerfen kann.

Und wenn ich die nicht leer gegessenen Teller in einem Restaurant oder zu Hause sehe, es in mir vor Wut kocht.

Ich kann nicht anders.

Vielleicht lernt diese Generation es auch noch einmal, das Hunger sehr weh tun kann.

 


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