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Freitag, 10. April 2015

Der Alltag

Das Haus in dem wir nun wohnten, hatte unten und oben je eine Wohnung von 65 qm Wohnfläche.
Normalerweise würde oben eine Einliegerwohnung im gleichen Zuschnitt sein.

Nun aber war die obere Wohnung in zwei Räume aufgeteilt.
In jedem standen 3 Betten, Schränke, Tisch und Stühle.
Plus Toilette.

Unten, in unserer Privatwohnung ein Kinderzimmer, Schlafzimmer ein Gemeinschaftsraum zum essen und aufhalten, für die Pestalozzieltern mit ihren Kindern und den 6 Berglehrlingen.
Um es etwas zu verdeutlichen.
Im Schnitt ca 10 Personen auf insgesamt  12 qm einschl. des Mobilars für die gesamte Personenzahl.
Das Schlafzimmer war genau so gross und das Kinderzimmer hatte 8 qm Fläche.
Die Küche war 4 qm gross.
Wer da von grosszügigem Wohnraum oder Luxus sprach, war ein Spinner.
Aber, zur damaligen Zeit war das schon was.
Es reichte und wir waren zufrieden.

Das Haus selbst, kostete per Lohnabzug, pro Monat 113,00 DM
Mein monatliches Bruttoeinkommen war ca. 250,00 DM das war damals absolute Spitze.
D.h. Schichten ohne Ende!
Da die Einliegerwohnung bei privater Vermietung die Hälfte dieser Summe eingebracht hätte, wäre es vielleicht noch zu stemmen gewesen

Vielleicht wird manchem jetzt klar, warum diese Siedlung " Hungerhügel" hiess.

Um nun diese unmögliche Summe auf zu fangen, hatte sich der EBV nun das Modell des Pestalozzihauses ausgedacht.
Um auch mal allen, die früher immer dumm gelabert hatten aber sich nie richtig dafür interessierten etwas Nachhilfe zu erteilen, folgende Rechnung und deren Grundlage.

Pro Berglehrling gab es pro Tag 2,35 DM 
Damit mussten sie beköstigt werden.
Haben Sie schon mal einen 16-18 jährigen jungen Mann, der untertage arbeitete mit Essen versorgt?
Wissen Sie welche Mengen der vertilgen kann?
Ich bin Meister im Butterbrot schmieren dort geworden.
3 ganze Brote waren so mal Tagesstandard.

Die Wäsche wurde zentral gewaschen.
Aber die Sauberhaltung des Hauses oblag den Hauseltern.

Als Gegenleistung dafür wurde nun gesagt, von diesen 12-14,00 DM Essensgeld am Tage, können sie mit ihrer Familie ja mit leben.
Damit sparen sie ihre Ausgaben für Lebensmittel
DAS war der Verdienst !!!!! der Hauseltern.
Theoretisch schon, nur was war, wenn das Haus nur mit 2 oder 3 jungen Männern belegt war?
Oder gar keinem?
Dazu kam, das ich mit einem Verpflegungssatz für meine eigene Person von 1,80 DM nun auch nicht so ganz zufrieden war.

Dazu oblag uns die Sorgfaltspflicht für die jungen Männer.
Wir wurden für alles verantwortlich gemacht ( Vernachlässigung der Aufsichtspflicht) 

Toll.
6 fremde junge Männer, noch im Flegelalter.
Ein Ehepaar mit eigenen Sorgen.
Hatte man Glück, lief alles reibungslos.
Hatte man Pech, dann war eben schon mal ein junger Mann dabei, den man wegen schwer Erziehbarkeit aus einem Heim entlassen hatte.
Aber gerade mit diesen, kam ich am besten zurecht. 
Alle kamen aus Hessen.
Q Kassel und Umgebung.

Die Polizei war mein ständiger Gast im Hause.
Mal was geklaut.
Mal nach 22 Uhr noch unterwegs.
Oder, mein spezieller Freund Wery ( Kron) 
Mal die Strassenlaterne als Ziel für den Stein genommen.
Ein anderes mal, mit Kumpel, einem 16 jährigen Mädel, am Weiher, den Rock hochgehoben und über den Kopf zusammengebunden.
( Wurde von Passanten befreit) 
Es waren immer Streiche über die ich heute noch grinse.
Nur, das diese Aschlöcher sich immer erwischen liessen, das habe ich denen nie verziehen.
Denn.
Was freute es mich, wenn ich um 4 Uhr des nachts aufstehen musste um zur Schicht zu gehen, also vorher noch was schlafen wollte, wenn die Polizei mich um 11 oder 12 Uhr des Nachts aus dem Bett holte, um einen meiner Zöglinge wieder einmal abzuliefern.
Dazu noch etwas ganz anderes, was ich hier nur anreissen möchte.
Es waren auch 20 jährige junge Männer dabei.
Die Hausmütter aber auch schon mal nur 26-28 Jahre alt.
Oder bei den Älteren Eltern waren Töchter im Teenageralter.
Der Hausvater meist auf Schicht oder am schlafen.
Sagen wir mal so.
Diese Probleme wurden meist intern geregelt, sind aber nun passiert.
Wen wundert es?
Vergessen, vergangen.

Für dieses 1. Dorf kam ein Dorfleiter. ( Neumann) 
Fremd, ohne Kinder und auch hier selbst keine Berglehrlinge.
Das war nun ein König der Profiteure.
Er kam mit einem Pappkarton.
Nach 3 Monaten lief er in Ganzledermantel rum.
Hatte 0 Ahnung, fühlte sich wichtig und kümmerte sich um Dinge die niemand brauchte.
Wo lag seine Macht?
Die jungen Männer bekamen je Woche ein Taschengeld in Höhe von 5,00 DM 
Der Rest lief auf ein Sperrkonto
Für alles , was sie brauchten, bekamen sie einen Gutschein für ein bestimmtes !!!! Geschäft. 
Dieses Geschäft war bindend und wurde vom Dorfleiter mit dem Geschäftsinhaber ausgehandelt.
Also Schuhe gab es z.B. bei Grotenrath.
120 Männer kauften ihre Schuhe nun bei Grotenrath mit ihrem Gutschein.
Die Summe wurde dann von ihrem Konto abgerechnet.

So war es mit allen Dingen.
Das gefundene Fressen für die Geschäftsleute, die natürlich gern sich erkenntlich zeigten.

Als noch zwei weitere, gleiche Dörfer hinter uns gebaut wurden, war es immerhin die geballte Kaufkraft von 360 Leuten.
Toll wa? 

Ich dieses Projekt lief etwa 10 Jahre.
Manche sind im Bergbau geblieben.
Viele haben hier geheiratet und eine andere Stellung angetreten.

Wir selbst hatten etwa 7-8 Jahre diese jungen Männer.





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