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Sonntag, 19. April 2015

Mein erster Tag



Mein erster Arbeitstag als Angestellter im Kraftwerk Anna.
Mein neues zu Hause lag im ersten Stock des Bürotraktes.
Ich wurde, vom Pförtner, in einen Raum geführt.
Ca. 10 qm gross.
Tisch, Stuhl, Schränke, Dreck, Papier, Dreck, Papier, Prospekte, Papier lag da rum.
Ein papiernes Chaos.
Eine Zeichenmaschine  stand auch da noch mittendrin.

Mein neuer Kollege, Herbert Beier, begrüsste mich.
Er war bestimmt nicht schlecht, nur von Ordnung und Organisation hatte er nie was gehört.
Das änderte sich aber im Laufe der Jahre.
Er war Techniker in diesem Betrieb.
Er trug eine weisse Arbeitshose und ein buntes Hemd. 
Er stellte sich mit "Herr Beier" vor, ich mit "Herr Gülde."
Für mich völlig ungewohnt, denn untertage und eigentlich im gesamten Bergbau gab es kein "SIE."
Na gut, wenn es denn so üblich hier ist?
Immerhin war er nett zu mir, denn er besorgte mir einen alten Stuhl als ich so da rum stand.
Den quetschte ich in eine Ecke.
Und begann erst mal zu sondieren und beobachten was mich hier erwartete.

Eine Klingel schellte einmal.
Wie von der Tarantel gestochen sprang Herr Beier auf, zog sich eine weisse Arbeitsjacke schnell an, diese wurde von unten bis oben sehr penibel zugeknöpft. Oberster Knopf blieb auf. Band sich ein blaues Grubenhalstuch, wie es die Untertagesteiger tragen um, griff zu einem weissen Schutzhelm. Den aufgesetzt, kurzer Blick in den Spiegel ob der Helm auch mittig und im richtigen Winkel sass und raste aus dem Zimmer.

Kurz darauf kam er wieder zurück.
Zog sich alles wieder aus, setzte sich hin und arbeitete weiter.
Nach ca. 30 Minuten die gleiche Prozedur wieder.
Klingel, anziehen, prüfen, los rasen, wieder kommen.
Das wiederholte sich einige male  in den nächsten Stunden.
Gesprochen wurde nicht viel zwischen uns.
Er wusste nicht wer ich bin und was ich machen sollte, und ich sah keine Veranlassung ihm zu sagen was mit mir los wäre.

So, gegen Mittag, gab es eine Änderung.
Die Glocke schlug zwei mal an.
Ich hörte es wohl, nur Herbert blieb sitzen.
Nanu?
Nach 5 Minuten das gleiche.
Herbert schaute mich fragend an.
Weitere 5 Minuten später wieder zwei Klingeltöne.

Da meinte mein Herbert, ob ich denn nicht gehen wollte??????
??????????
Dann erklärte er mir.
Wenn Herr Pavel, der Chef, etwas von uns wünschte, würde er die Klingel betätigen.
Einmal wäre er, zwei mal ich mit gemeint.
Hatte mir niemand gesagt, und warum nahm der denn kein Telefon zur Hand?

Na, wenn es denn so ist, also gehen wir mal da rauf.
Tür vom Sekretariat. 
Ich lernte Leni Wüllenweber, die Sekretärin kennen, die meinte aha, SIE sind das, dann gehen sie mal rein.
Irgendwie sah sie mich fragend an.
Warum?
Mir egal, ich weiss das ich ein hübscher Mann bin.

Klopf, klopf.
Herein.
Hallo, hier bin ich.
Irgendwie merkte ich, das war nicht die Art die er gewohnt war.
Heute weiss ich, es fehlte mir die devote Haltung und Art.

Ich muss nun noch erwähnen, ich hatte eine normale Tageshose Hose an und ein offenes Hemd. 

Mein neuer Chef sah mich an, als ob ich vom Mars käme.
Wie sehen sie denn aus?
Warum sind sie nicht umgezogen?
Wo ist ihr Helm?
Ich möchte, das sie morgen Arbeitskleidung tragen.

Er frug mich einige belanglose  Dinge, die für ihn wahrscheinlich wichtig waren und ich durfte wieder gehen.

Da begriff ich endlich das Affentheater vom Herbert mit dem ewigen an- und ausziehen wenn die Glocke ertönte.
Jeder Gang zum " Kaleu" erforderte Kleidungswechsel.
Ich konnte innerlich nicht so viel grinsen wie mir zu Mute war.

Aaaaaaalso, in diesem Moment wusste ich.
Ich werde mich hier wohlfühlen, weil ich hier noch viel Spass haben werde.
Und ob ihr es glaubt.
Es war so.
In all den ganzen Jahren die ich dort arbeitete.
Aber das wusste ich ja damals noch nicht.
Das Spielchen mit Herbert und auch mit mir wiederholte sich mehrmals.
Dann war Feierabend.
Ich hatte den ersten Eindruck bekommen .

Ging mir dann Arbeitskleidung kaufen.

Als am nächsten Tag die Glocke zwei mal schellte, ich also gemeint war um in die oberste Etage zu "gehen" und nicht zu "rennen" wie Herbert, sah ich bei meinem Eintreten zuerst die Augen von Leni. 
Fragend.
Dann ging ich ins Büro und erlebte das gleiche.

Da stand nun der neue techn. Angestellte Guelde, in einem nagelneuen weissen !!!! Bürokittel, ohne Helm und grinste,

Herrn Pavels Augen waren Gold wert.
Beim nachfolgenden Gespräch sagte ich ihm dann.
Das ist die Arbeitskleidung eines techn. Angestellten.
Da ich nur im Büro arbeite brauche ich auch keinen Helm.
Sollte ich im Betrieb was zu tun haben, werde ich mich umziehen und einen Helm aufsetzen.
Er versuchte noch abzumildern, ob es nicht wenigstens  ein grauer Kittel sein könnte, da ähnliche Angestellte auf dem Grubengelände so rumliefen, ich sah das leider nicht so.
Diese Runde hatte ich erst mal gewonnen.

Dann wurde mir erklärt, jeden Morgen hätte ich im Büro der Betriebsingenieure zu erscheinen, (zum Appell)   dort würde man mich dann morgen (am 3. Tag) offiziell vorstellen, und täglich mir sagen in wieweit Aufgaben zu erfüllen wären.
Ich sagte zu, obwohl mich das überhaupt nicht kratzte.
Als Büroangestellter hatte ich mit der Stromerzeugung , damals wenigstens noch, nichts zu tun.
Übrigens, damals ging man dort nicht zu seinem Kollegen oder Vorgesetzten, sondern man erschien zum Rapport. :-))))))))))))) 

Es war kein Sieg für mich, denn die Feinde waren übermächtig.
Das erlebte ich dann anschliessend.

Es fing mir an Spass zu machen, diese exklusive Gesellschaft zu brüskieren.

Ich habe es bis zum Ende meiner Dienstzeit immer wieder geschafft.
Wenn ich heute an manches zurück denke, kann ich es selbst kaum glauben.
Und immer hatte ich im Hinterkopf mein Gehalt.
Wie sie mich mit den 3 Monaten ohne Geld und dann mit der Gehaltskürzung auf ein Drittel, gelinkt hatten.  

Aber, immer wenn es mal zu viel wurde dachte ich.
Mensch was hast du es doch hier gut.
Wärest du nicht hier, würdest du 610 m tiefer unter der Erde auf einem Scheisskübel sitzen und dein Butterbrot essen.
Also!

Doch, das war erst der zweite offizielle Arbeitstag dort.
Es folgten noch viele.

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