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Dienstag, 21. April 2015

Weihnachten im Kraftwerk



Das  Jahr ging rum.
Weihnachten im Kraftwerk Anna.
Jedes Jahr das gleiche Theaterstück.

Nun, das erste mal war für mich das schon interessant, wie der grosse Führer sich menschlich seinen Angestellten gegenüber zeigte.

Ich war gespannt.
Herr Pavel bat also, per abzuzeichnendem Rundschreiben, seine Angestellten um soundsoviel Uhr, am soundsovielten, in sein Büro. 

Es kamen natürlich auch die Schichtfreien bis auf die Nachtschicht, die durfte schlafen.

Alle anderen, wie es sich gehört, in vollem Wichs mit weissen Arbeitsanzügen und Helm mittig auf dem Kopf. 
Ich selbst fand das affig, und da es für mich ein privater Anlass war, zog ich meinen Kittel diesmal aus !!!!, krempelte meine Ärmel hoch und marschierte da rauf.
Auch hier die entsetzten Blicke aller wieder.
Das die sich an mich gewöhnen.

Es gab eine Platzordnung am grossen Tisch.
Ich, als kleines Aschloch, sass mit Herbert ( vor der Show noch Herr Beier, danach Herbert)  wegen Platzmangels, etwas abseits am Fenster.
War gut so. Man behielt den Überblick .

Auf dem Tisch stand eine Flasche Weinbrand.
Nach bekunden von Herbert, war es seit Jahren immer die gleiche Flasche, weil sich niemand traute im Beisein des Chefs sich einen ein zu kippen.
Im Prinzip auch  völlig korrekt, denn Alkohol am Arbeitsplatz war ja verboten.
Aber die Hälfte hatte ja gar keine Arbeitszeit, die waren in ihre Freizeit da.
Nur, warum stand denn nun die Flasche da?????????
Es liess mir keine Ruhe.
Volle Flaschen, so lange sie nicht menschlich sind, haben mich immer magisch angezogen.

Der Chef sprach dann ausführlich über das vergangene Jahr.
Die Entwicklung. Die Probleme.
Danach über das kommende Jahr.
Pläne, Investionen. .
Alles hörte andächtig zu.
Alle waren jedes Jahr gebannt darauf zu erfahren ob sich der Kesselwirkungsgrad vielleicht verändert hatte oder wie lange die Füllungen der  Mühlen diesmal gehalten hatten, nur ich nicht.
Allein schon die Tatsache, das ich den KWG durch meine eigenen Rechnungen so verändern konnte wie ich es wollte oder auch sollte !!!!!!!  machte das ganze für mich zu einer Farce.

Es ging anschliessend zum privaten Teil über.
Der Chef erzählte den andächtig zuhörenden, von seiner privaten Modelleisenbahn.
Wieviel Bäumchen er  wo angeklebt hatte.
Voller Begeisterung wurden ihm Fragen gestellt, die er natürlich ausführlich beantwortete.
Jedes Jahr die gleiche Scheisse !!!!!!!!!!!!

Mich interessierte da wesentlich mehr die Flasche auf dem Tisch.
Seit Jahren stand die da unberührt?
Machen wir dem doch einfach ein Ende.

"Herr Pavel, mal eine private Zwischenfrage zu ihren hochinteressanten Ausführungen über ihre Modelleisenbahn, die Flasche da auf dem Tisch ist das eine Weihnachtsdekoration oder ist die da zum trinken hingestellt worden?"

Er, nicht ahnend, das mir das ernst war und ich es, in seinen Augen, bestimmt das nieeee wagen würde, tappte in die Falle.
"Sie ist echt, keine Dekoration."

Wenn das so ist,  bat ich, die mir doch rüber zureichen, holte mir aus dem Sekretariat ein paar Wassergläser, schüttete mir, unter den entsetzten Blicken aller, plus Chef,  einen ein und meinte:
"Prost, noch einer einen?"
Und nun kommt es.
Herbert sagte ja.

Wir haben der Flasche im Laufe der Feier, sehr  gut zugesprochen.
Die am Tisch waren mit ihrem Chef beschäftigt.
Ich soff gerne einen. Herbert noch viel mehr.
Wir duzten uns. Es war der Beginn einer wunderbaren Kollegialität.
Prost Herbert.
Ich täte gern mal sehen, was wir beide so im Laufe unserer Arbeitszeit hinunter geschüttet haben.
Aber es war schön.
Schade um jeden Tropfen der daneben ging.

Die Feier ging weiter,
Die Schichting. dösten vor sich hin.
Pavel schwelgte von seiner Eisenbahn.
Herbert und ich soffen.
Es war richtig feierlich.

Nun kam aber auch die Bescherung.
Die im Laufe des Jahres gesammelten Geschenke von Firmenvertretern wurden verteilt. Sagen wir mal so. All das was die Betriebsleitung selbst nicht gebrauchen konnte.
Da gab es z.B. Lederbrieftaschen, mal ne Bohrmaschine, oder ein Schleifgerät, oder so etwas ähnliches.
Das wurde nun den Herren Angestellten mit guten Wünschen überreicht.
Der Dank derer grenzte bald an Unterwerfung.

Auch ich bekam etwas.
Ich glaube es war ein Taschenkalender oder ein Wandkalender.
Dazu muss ich bemerken.
In den folgenden Jahren waren es auch schon mal nur Kugelschreiber für mich. 
Je nachdem wie ich mich im letzten Jahr benommen hatte.
Aber über einen Taschenkalender, Flaschenöffner oder Schlüsselbundanhänger bin ich in all den Jahren nie hinausgekommen.
In späteren Jahren, das kommt noch, habe ich eigene Weihnachtspräsente verteilt. 

Es war aber auch gut so.
Ich blieb damit unabhängig und wurde nie gekauft.

Dieses Spiel nun jedes Jahr.
Erscheinen war Pflicht.
Drückeberger wurden per Lautsprecherdurchsage gesucht und gebeten !! Sofort ins Chefzimmer zu kommen.

Jedes Jahr der gleiche Zauber.
Und immer war Herbert und ich die einzigen die die Weihnachtsfeier richtig  toll fanden.
Manchmal so toll, das meine Frau uns beide anschliessend mit dem Auto nach Hause zu fahren.

Ich kann mich erinnern, das nach 3-4 Jahren eines Tages keine Flasche mehr auf dem  Tisch stand.
Selber gesoffen hat Pavel die nicht.
Denn er trank keinen Schnaps.
Aber er brauchte dann keine eigenen Weihnachtsgeschenke mehr zu kaufen.

Immerhin wurde dort die Verbundenheit der Angestellten des Kraftwerkes Anna mit ihrer Führungsetage demonstriert.
Das gute Betriebsklima gezeigt.
Oder vielleicht doch nicht?   
Es wird nie mehr gelogen als bei solchen, angeordneten Festen.

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